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KLUB ANALOG, nicht wie woanders

Fallanalyse der Bildenden Kunst Bremens von Dr. Simon Frisch und Susanne Hinrichs





Als Lucian Freuds Bild Benefits Supervisor Sleeping mit 30 Millionen Dollar den Höchstpreis für ein Bild eines lebenden Künstlers erzielte, ging ein Raunen bis in die Kreise der Volkshochschulmalgruppen, entzündete dieser Preis doch bei allen die Idee: „einer von uns hat es geschafft“. Diese Idee der Zugehörigkeit zu einer großen Familie der Kunst bis in den Hobbybereich hinein ist für den Sektor der Bildenden Kunst womöglich eine Besonderheit. Sie mag absurd erscheinen, ist aber in gewisser Weise berechtigt und in jedem Fall ein Charakteristikum – und sie lässt sich durch historische Beispiele rechtfertigen. Jedoch reicht sie für denjenigen, der sich entscheidet einen professionellen Berufsweg in der Bildenden Kunst einzuschlagen nicht aus.
Wir wollen zunächst grob schematisiert und vereinfacht die wichtigsten Akteure des klassischen Kunstbetriebs in ihren allgemeinen Funktionen und Wirkungsweisen im Kunstmarkt skizzieren, bevor dann einen Blick auf die konkrete Situation in Bremen werfen.

Künstler
Es gibt eine ziemlich genau beschreibbare, klassische Karrierelaufbahn für den Aufbau einer professionellen Künstlerexistenz. Unternehmerisch gesehen ist der Künstler hiernach ein Produzent von Gütern, für die er auf dem Markt höchstmögliche Preise erzielen will. Da sich auf dem Kunstmarkt die Preisbildung nicht nach einer Kosten-Aufwand-Gewinn-Rechnung ermitteln, hat sich als Orientierungsrahmen eine gewisse Preisbildungsnorm etabliert, die auf die Zeit zurückgeht, in der die Preise von Bildern nicht mehr nach dem Sujet bemessen wurde. Zuvor gab es regelrechte Kataloge: ein Pelzkragen auf einem Porträt war teurer als ein einfacher Kragen, Stillleben wurden nach Art und Anzahl der Gegenstände berechnet usw.. Heute ist die Ausgangsgröße der Preisbildung schlicht und einfach die Größe der Bilder, der sprichwörtliche Quadratmeterpreis. Sie wird mit einem Faktor multipliziert, der sich nach dem Status oder dem „Wert“ eines Künstlers richtet. Diesen Faktor kann man wie ein Punktesystem beschreiben, in dem der Künstler für jede Handlung, die ihm auf dem Kunstmarkt ein Mehr an Glaubwürdigkeit verleiht, einen Punkt erhält. Solche Punkte können beispielsweise sein: Ausbildung auf einer Kunsthochschule, bestimmte Stipendien und Preise, Ausstellungen über den Heimatort hinaus, Zusammenarbeit mit bestimmten Kuratoren, Presse und Kataloge, ein Galerist, ein bestimmter Galerist, ein Ankauf durch Sammler, Ankäufe durch Museen oder große Ausstellungen. Dabei ist aber auch entscheidend, welche Kunsthochschule, welche Stipendien, welcher Kurator usw. Das heißt, dieses ganze System ist ausgesprochen dynamisch, denn jede dieser Instanzen ist selbst darauf angewiesen, Glaubwürdigkeit aufzubauen und zu erhalten. Dies geschieht auch wieder in Wechselwirkung mit dem Künstler. Die Akteure und Institutionen erzielen Glaubwürdigkeit durch eine bestimmte Tradition oder indem sie mit ihrer Arbeit den richtigen Riecher bei der Entdeckung von Newcomern beweisen.

Kuratoren
Grundsätzlich „macht“ ein Kurator Ausstellungen. Historisch geht der Beruf aus dem Museum hervor, in welchem er „Sorge (cura)“ um die Sammlung zu tragen hatte und auch für die Ausstellungsgestaltung zuständig war. Im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich der Beruf des freien Kurators herausgebildet und sein Tätigkeitsfeld hat sich – diese Entwicklung ist eng mit der Figur Harald Szeemann verbunden – dahingehend erweitert, dass Kuratoren nicht unbedingt nur Werke ausstellen, sondern auch eng mit Künstlern zusammenarbeiten. Der Kurator nimmt durch seine Auswahl der Künstler unmittelbar Einfluss auf den Erfolg der Kunstschaffenden. Er ist einer derjenigen, die die Kunst aus den Ateliers an die Öffentlichkeit bringen. Die Auftraggeber sind überwiegend Institutionen, so dass der freie Kurator tendenziell von öffentlichen Mitteln abhängig ist. Kuratoren arbeiten aber auch in privatwirtschaftlichen Zusammenhängen, beispielsweise für die Sammlungstätigkeiten von Firmen.

Galeristen
Ein weiterer Akteur im Kunstbetrieb ist der Galerist, der ebenso wie der Kurator in die Ateliers geht, aber mit einem anderen Blick. Während der Kurator darauf bedacht ist, Kunstwerke in ästhetisch und inhaltliche Zusammenhänge einer Ausstellung zu bringen, denken Galeristen den Markt immer mit. Das ist natürlich nicht so sauber zu trennen, denn der Marktwert eines Kunstwerks ist eng mit seinen ästhetischen und inhaltlichen Potenzialen verbunden. Galerien gestalten die Kunstszene ähnlich wie Kuratoren insofern mit, als dass sie Künstler betreuen und aufbauen. Es gibt hier Beispiele von Wechselwirkungen, wie man sie aus dem Verhältnis zwischen Trainern und Sportlern kennt. Wie wichtig der richtige Galerist für die Karriere eines Künstlers sein kann, zeigt der Fall der Künstlerin Louise Bourgeois, die erst in hohem Alter ihren Galeristen wechselte und dann weltweit bekannt wurde.
Kuratoren und Galeristen sind nicht völlig souveräne Schalter und Walter im Kunstmarkt. Ihr Gewicht und ihr Einfluss bilden sich in Abhängigkeit davon, welche Künstler sie in ihre Ausstellungen bzw. in ihre Galerie nehmen und wie stark ihre Arbeit von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Vom diesem Renommee hängt wieder ab, welche Künstler sie überhaupt für eine Zusammenarbeit gewinnen können. Der Kurator muss sich mit seinen Ausstellungen für Folgeprojekte empfehlen. Dabei spielt die Kunstkritik eine große Rolle. Die Macht eines Galeristen hängt davon ab, ob er potente Sammler an sich binden kann. Profan ausgedrückt geht es um Zulieferer- und Kundenbindung.

Sammler
Der Sammler ist die unabhängigste Größe von allen, die im Kunstbetrieb unterwegs sind. Sammler können großen Einfluss in der Generierung von Marktwerten nehmen durch die Summen, die sie einsetzen. So können sie unter Umständen Erfolge von Künstlern steuern. Sammlerschichten sind aber keine feste Größe. Sie haben weder eine feste Funktion, noch haben alle dieselben Motive: Die einen kaufen Kunst, die ihnen gefällt, andere wollen bestimmte Kunstrichtungen fördern und arbeiten dabei tendenziell auch kuratorisch, wieder andere setzen ausschließlich auf Wertentwicklung, bewerten also Kunst nach denselben Maßstäben wie Wertpapiere, Immobilien oder Edelmetalle.

Kritiker
Schließlich spielt der Kunstkritiker in diesem System noch eine wichtige Rolle, da er über Künstler, Kuratoren, Galeristen und Sammler schreibt und damit meinungsbildend Einfluss nehmen kann. Doch auch er ist wiederum abhängig von einem ‚Punktesystem’ und hat nur so viel Macht, wie er Glaubwürdigkeit erlangen kann.

Kunstbetrieb in Bremen
Ein solches Gefüge aus einflussreichen Akteuren findet sich in Bremen nur bedingt im Vergleich zu Köln oder Düsseldorf – um einmal nicht den absurden Vergleich zu Berlin zu ziehen – aber auch zu Leipzig, einer Stadt, die in Größe und Struktur Bremen in vieler Hinsicht vergleichbar ist. Die Möglichkeiten für aufstrebende junge Künstler für eine klassische berufliche Basis sind beschränkt. An den Kunsthochschulen in Städten mit einer Randlage wie Bremen wird mitunter den Studenten bereits in den ersten Semestern die Orientierung in die Zentren des Kunstmarkts empfohlen – im Sinne der Punktesammlung.
Obwohl man von Kunstschaffenden häufig die Klage über den „weißen Fleck Bremen“ auf der Kunstlandkarte vernehmen kann, ist die freie regionale Kunstszene in Bremen nicht wüst und leer, sie ist im Gegenteil sogar ausgesprochen lebendig: Mit den beiden Künstlerhäusern - am Güterbahnhof und Am Deich - stehen öffentlich geförderte Atelierhäuser zur Verfügung, wo Künstler zu günstigen Konditionen Arbeitsräume mieten können. Beide Häuser betreiben auch Ausstellungsräume. Über Bremens Grenzen hinaus werden diese zwar nur vereinzelt wahrgenommen, doch das Engagement ist hoch und die Qualität schätzenswert. Neben den städtischen Künstlerhäusern haben sich zahllose Gemeinschafts-Atelierhäuser aus Eigeninitiative der Künstler entwickelt, in denen auch Ausstellungen realisiert werden. Darüber hinaus gibt es in Bremen viele orte, an denen Künstler leben und arbeiten: Das „Viertel“ zum Beispiel bietet durch seine bauliche Struktur Raum für interessante Nutzungen für Künstler, Kunsthandwerker und Kreative, zumal viele Räume dort nicht zu Wohnzwecken genutzt werden dürfen. Auch die Randbereiche der Bremer Überseestadt haben sich als attraktiv für Künstler erwiesen, weil leerstehender Raum zu günstigen Konditionen genutzt werden kann. In der Überseestadt hat seit 2003 auch die Hochschule für Künste einen neuen Standort gefunden. Sie genießt einen wenn auch nicht erstklassigen, so doch soliden Ruf und es gelingt ihr, gute Studierende anzuziehen. Darüber hinaus entstehen, neben den Stadtteilen Walle und Gröpelingen im Bremer Westen, die schon seit einiger Zeit in der Szene als heimliche Kult-Viertel gehandelt werden, in jüngster Zeit auch auf der anderen Seite der Stadt, in Hemelingen, neue Strukturen und Initiativen.
Diese Kunstszene in Bremen ist so klein, dass jeder jeden kennt. Das hat Vorteile. Der Austausch geht schnell, die Kommunikation innerhalb der Szene funktioniert und kollegial besucht man gegenseitig seine Veranstaltungen. Eine gute Voraussetzung eigentlich, um immer neue Verbindungen und gemeinsame Projekte zu generieren. Welche Möglichkeiten gibt es nun für Künstler in Bremen? – Alles gut?

Galeristen in Bremen
Es gibt in Bremen etwa 20 Orte, die sich im weitesten Sinne „Galerie“ nennen. Die Arbeitsansätze, inhaltlichen Ausrichtungen, Vorlieben und Professionalität zeugen von einer enormen Spannweite. Zwei bis drei dieser Orte sind annähernd mit einer professionellen Galerie vergleichbar. Das ist nicht abwertend gemeint, sondern in dem Sinne, dass eine professionelle Galerie nach den oben beschriebenen Kriterien arbeitet, indem sie einerseits Künstler aufbaut, sie begleitet und „coacht“ und auf der anderen Seite einen möglichst festen Sammlerkreis als Kundschaft aufbaut. Zum Kerngeschäft einer professionellen Galerie gehört es, sich auf dem Markt zu engagieren und zu präsentieren. Auf nationalen oder gar internationalen Kunstmessen findet man Bremer Galerien aber nur selten. Das soll nicht heißen, dass von den Akteuren schlechte Arbeit geleistet wird, aber ihnen fehlen schlicht die Mittel, um an Messen teilzunehmen. Galerien kämpfen ständig ums Überleben, weil Bremen bei den Käuferschichten nicht als Kunststandort wahrgenommen wird. Es fehlen Sammler – obwohl privates Geld in ausreichender Menge in der Stadt vorhanden ist. Und so ist es nachzuvollziehen, dass sich neue Galerien praktisch nicht ansiedeln. In den 70er Jahren haben einige versucht, den Kunststandort Bremen neu aufzurollen. Sie haben Galerien eröffnet und Bremer Künstler zum Teil erfolgreich aufgebaut. Die meisten Künstler mit überregionaler Ausstrahlung, die heute noch in Zusammenhang mit Bremen stehen, stammen aus dieser Zeit – sie sind heute um die 60 Jahre alt. Doch nur wenige der Galerien von damals haben bis heute durchgehalten.

Kuratoren in Bremen
Für Kuratoren ist die Arbeitslage in Bremen erst einmal beschränkt, da sie sehr auf institutionelle Anbindung angewiesen sind. Oder darauf, neue, zumeist temporäre Räume für einzelne Projekte zu generieren. So entstehen immer wieder spannende Ausstellungssituationen, die auch international besetzt sind und die Kunstlandschaft enorm bereichern. Diese Projekte durchzusetzen, sie organisatorisch und finanziell auf die Beine zu stellen, bedarf jedoch eines langen Atems und erfordert einen Kraftakt, bei dem vom Kurator initiativ alles alleine geleistet werden muss. Freelancer werden für Arbeiten in der Planungsphase nicht bezahlt, was bedeutet, dass sie umsonst gearbeitet haben, wenn die Projekte am Ende nicht realisiert werden. Umgekehrt ist die Bezahlung bei Projektrealisierung nicht sehr hoch, so dass vor allem Idealismus und Leidenschaft für die Kunst die Motivation in diesem Sektor darstellt. Meistens lohnt es inhaltlich. Die Qualität solcher Kunstprojekte ist hoch und innovativ. Aber sie sind singulär.

Geld für die Kunst
Die meisten Hochschulabgänger weichen in einen „Job“ im Kunstbetrieb aus – sie tummeln sich als Dienstleister in Museen, Galerien oder anderen Kunstinstitutionen, um Kontakte zur Szene zu halten. Andere wechseln in kunstverwandte angewandte Metiers, wie Grafik, Web-Design, Illustration. Nicht unbedingt wenige finden Wege, die Kunst im Zentrum ihrer Tätigkeiten zu erhalten, sie verdingen sich ihr Leben in Kursen bei unterschiedlichsten Bildungsträgern, einige schulen ins Lehramt um oder finden eine Lehrtätigkeit an einer Kunst- oder Fachhochschule. In den meisten Fällen kommt also die materielle Voraussetzung für die künstlerische Produktion nicht aus der künstlerischen Produktion selbst. Sie wird ermöglicht durch Mittel von Außen – sei es ein familiärer Hintergrund, öffentliche Gelder oder ein privater Mäzen. In dem ebenfalls häufigen Fall, in dem der Künstler durch einen völlig kunstfernen „Brotjob“ seinen Lebensunterhalt verdient, um Kunst zu machen, ist er sozusagen sein eigener Mäzen.
Dass das Geld vor allem von Außen zur Kunst kommt, liegt daran, dass viele Kunstformen keine „ummünzbare“ Produkte abwerfen, sondern performativ oder konzeptuell ausgerichtet sind. Projekte wie das „Dreijahre“, das gerne als wirtschaftlich arbeitendes Vorzeigekunstprojekt herangezogen wird, sind hier schwierig einzuordnen. Angelegt als Kunstprojekt auf genau drei Jahre ist es in seiner Erscheinungsform und seiner Struktur ein vollwertiger gastronomischer Betrieb. Zum Kunstprojekt wird es durch die Rahmung und die Haltung der Betreiber. Die Setzung, nur drei Jahre und unabhängig vom Erfolg zu arbeiten, ist eine konzeptuelle Konstruktion. In diesem Bereich der Life-Art-Performance oder Konzeptkunst ist es schwierig, von ökonomischen Erfolgen zu sprechen. Es wäre auch denkbar, einen ganzen Lebensentwurf zum Kunstprojekt zu machen, etwa eine Polizistenlaufbahn, das Leben als Finanzmagnat, oder auch ein völlig mittelloses Leben. Hier wird deutlich, dass die ökonomische Grundlage in einem Projekt wie dem „Dreijahre“ nicht entscheidend ist: Nach drei Jahren ist wieder Schluss.

Geld für die Kunst als Strukturförderung
Künstler bilden als avantgardistische Vordenker in vielen Fällen die Voraussetzung für kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung, denn eine künstlerische Kernkompetenz ist das Beobachten und Sichtbarmachen von Entwicklungen und möglichen Veränderungen. Derartige mittelbare Einflüsse sind vielfältig und hochinteressant, sie aufzurollen würde hier jedoch zu weit führen. Dennoch lassen sich Kunstprojekte auch unmittelbar ummünzen in ökonomische Effekte, die Entwicklungschancen, überregionale Wahrnehmung und Arbeitsplätze schaffen. Kunst nämlich generiert Aufträge im privatwirtschaftlichen Markt. Um Ausstellungen zu realisieren bedarf es Akteuren aus den unterschiedlichsten Bereichen, wie Grafiker, Werbeagenturen, Autoren, Drucker, Transporte, Gastronomie, Hotels etc. Wirtschaftlich gesehen werden durch die Kunst Freiberufler in die Lage versetzt ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Verfolgt man die Kette aber zurück zu ihren Anfängen, so stammen die Gelder, mit denen die Honorare bezahlt werden, aus der öffentlichen Hand, von Mäzenen oder Stiftungen. Als Instrument zur Umverteilung oder zum Strukturaufbau einer Region, einer Szene, kann Kunst auch ökonomisch funktionieren. Bekanntermaßen wirkt Bildende Kunst bis in den Bereich der Stadtplanung hinein: Künstler machen billige, heruntergekommene Viertel durch Belebung attraktiv. Somit ist die Existenz einer Künstlerszene ein womöglich wichtiger Faktor für die Immobilienwirtschaft einer Stadt. Aufgrund dieser ökonomisch so schwer eingrenzbaren Wirkungsbereiche der bildenden Kunst ist die privatwirtschaftliche Bestimmung so schwer zu bemessen.

Kunstmarkt - Kunstmärkte
Der klassische Kunstmarkt – also das, was wir hier so nennen – funktioniert über Verknappung und Elitebildung. Er ist darin in vielem dem Finanzmarkt ähnlich. Jedoch besteht der Bereich der Bildenden Kunst nicht nur aus dem einen, internationalen Kunstbetrieb. Es existiert eine Vielzahl von Kunstbetrieben und Kunstmärkten. Hier gibt es durchaus Bereiche, in denen Kunst zum Gebrauchsgegenstand wird: im Ausstattungsbereich von Firmen, Hotels oder im Bereich Privatwohnung bieten Agenturen, Einrichtungshäuser, ja sogar Baumärkte einen Künstlervermittlungsservice. Weitere Möglichkeiten für Bildende Künstler gibt es in der Werbung, im Theater oder im Eventbereich - der jeweilige Weg hängt stark von der jeweils künstlerischen Technik ab. Viele winken hier jedoch ab, denn eine solche Entscheidung bedeutet womöglich den bewussten Austritt aus der Kunstfamilie. Gegen diese Vereinnahmung der Bildenden Kunst durch den Eventbereich existieren erste Initiativen in der deutschen Kunstszene.
Eine große Schwierigkeit besteht darin, dass alles, was in all diesen Bereichen jeweils geschieht, mit demselben Wort „Kunst“ benannt wird. So heißt die „Kunstmesse Mainz“ wie die „Kunstmesse Köln“ und die „Art Basel“ wie die „HanseArt“. Von hier aus wird verständlich, weshalb der VHS-Kurs-Maler sich Lucian Freud verwandt fühlt. Es ist eine fast kindliche Wortmagie, die entlegene Bereiche miteinander verbindet. Insgesamt nützt sie jedoch viel weniger, als dass sie Schaden anrichtet, denn so wird ein reifendes Selbstbewusstsein und eigene Perspektiven in den unterschiedlichen Kunstbetrieben verhindert. Ein Beispiel ist der Kalifornier Thomas Kinkade. Er hat mit mehr als zehn Millionen verkauften Bildern über 53 Millionen Dollar verdient und ist damit einer der erfolgreichsten Maler weltweit. Man findet ihn jedoch weder in Museen noch in den Shortlists der Businessmagazine. Er malt eine bekömmliche Mischung aus gefälligen Themen, traditionellen Techniken in fabrikmäßiger Fließbandproduktion. Eine hemmungslos kitschige Heile-Welt-Romantik wird zunächst in Öl gepinselt, dann als Druck reproduziert, auf Leinwand aufgezogen, mit ein paar gezielten Pinselstrichen veredelt und schließlich noch mit eigenem Blut signiert. Es hat keinen Sinn, einen einheitlichen Kunstbegriff an Thomas Kinkade herantragen zu wollen, doch hat das umgekehrt für den erfolglosen Hobbykünstler Sinn?
Innerhalb des heutigen Kunstbegriff oszilieren unterschiedlicche Konzepte vom unternehmerischen Werkstättenleiter der Renaissance über den Hofkünstler, dem romantischen Genie bis zum Arbeiter und Aussenseiter bohèmienscher Prägung. Es ist müßig, sich für einen einzigen Kunstbegriff zu entscheiden. Bemerkenswert ist aber, dass man im Bereich der Kunst immer schnell an grundsätzliche Fragen gelangt, auch wenn man nur über sie schreibt. Zu eng ist der Sektor wohl mit so grundsätzlichen Begriffen wie Freiheit, Glück und Sinn verbunden.
Perspektiven
Sicherlich hilft es wenig, mit Zahlen- und Definitionsspielen die Kunstszene zu beleben; etwa, indem man ambitioniertere Kunsthandwerker in den Kunstkontext mit aufnimmt. Womöglich ist die in der von der Bundesregierung vorgenommene Unterteilung der Sektoren im Bereich der Kreativwirtschaft nicht ganz glücklich. Ganz sicher aus Sicht der Bildenden Kunst, wahrscheinlich aber auch für die Sicht von Außen. Denn eine solche Assimilation verstellt den Blick. Die Bereiche der bildenden und der angewandten Kunst bzw. des Kunsthandwerks, die auf der Ebene der Ausbildung und in bestimmten Erscheinungsformen scheinbar nur um Nuancen verschieden sind, unterscheiden sich grundsätzlich in ihren Produktionsprozessen und Marktstrukturen. Der angewandte Bereich denkt, kommuniziert und kalkuliert völlig anders und hat eine ganz andere Struktur der Akteure als die Bildende Kunst. Der Kundenkreis, die Organisation von Angebot und Nachfrage und die Preisbildung funktionieren ebenfalls völlig anders. Die Preise von Kunstwerken sind von einer Wertgenerierung bestimmt, die über Kuratoren, Galeristen, Kritiker etc. läuft. Der Künstler macht seinen Marktwert praktisch mit jedem Verkauf. Kunsthandwerker kalkulieren den Wert von Einzelstücken eher in klassischer Manier des produzierenden Gewerbes. Eine Preisreduktion von bestimmten Produkten im Kunsthandwerk, beispielsweise als Weihnachtsartikel am Ende des Jahres, stellt nicht den Wert der gesamten künftigen Produktion in Frage, in der Kunst schon! (Stichwort: strukturelle Ähnlichkeiten mit bestimmten Bereichen des Finanzmarkts) Aus diesen Gründen sind die Anwendbarkeit und der praktische Nutzen tendenziell zu einem Ausschlusskriterium für den Kunstbegriff geworden. Das spielt insofern eine Rolle, als dass es schwierig ist, als Künstler eine nachfrageorientierte Produktion zu verfolgen und zugleich seine Glaubwürdigkeit zu erhalten. Denn eine anwendungsorientierte künstlerische Arbeit wirkt sich unter Umständen auf den Wert der Werke aus, bedeutet in jedem Fall aber einen Wechsel in ein anderes Segment des Kunstbetriebs: schöne Vorgartenskulpturen verkaufen sich womöglich ausgesprochen gut, sind aber nicht zwingend ein gutes Argument für einen Kurator oder Kritiker (siehe das Beispiel Thomas Kinkade).
Vielleicht braucht Bremen gar nicht eine Kunstszene wie in Köln, Düsseldorf oder Hamburg. Vielleicht wäre es ja eine Qualität für Bremen, sich darin stark und lebendig zu machen, dass man nicht unter dem Blick der internationalen Aufmerksamkeit arbeitet. Vielleicht kann man in Bremen Talente behutsam aufbauen, die eben erst mit 60 Jahren zu voller Reife gelangen. Womöglich würde sich einmal ein Vergleich mit Städten lohnen, die ähnlich aufgestellt sind wie Bremen: eine Großstadt im Nacken, städtische und kaufmännische Tradition, eine gewisse industrielle Tradition und zugleich zu klein für eine metropole Größe: Nürnberg und Leipzig fallen einem da ein. Die eine ein weißer Fleck auf der Kunstlandkarte, intern jedoch eine lebendige Szene, die andere, gar nicht weiß, aber im Sogwind von Berlin und im Sog des Hype um die Leipziger Schule, der von der örtlichen Szene kritisch gesehen wird.
Sicher täte die Konzentration auf die innerbremischen Möglichkeiten gut. Vielleicht wäre eine Bereitschaft mehr zu einem spielerischen Miteinander zu kommen ein Anfang in eine lebendige Zukunft. Erste Maßnahme wäre in jedem Fall: das Wort „wie“ entsorgen.